Offener Brief 1/2019

Es ist gerade einmal etwas mehr als 100 Jahre her, als im Zuge der Industrialisierung abenteuerliche Pläne zu einer kommerziellen Nutzung des Bodensees entworfen und Dank vorausschauender Entscheider noch schneller wieder verworfen wurden. Seither hat unser Bodensee wenig aufregende Nachrichten betreffend seiner Nutzung veranlasst. Emotionaler wurde die Nutzungsdiskussion erst wieder als die Bodensee-Wasserversorgung mit fragwürdiger politischer Hilfe eine erste Sperrfläche für ihr Entnahmegebiet als Sondernutzung durchsetzte und nunmehr eine Genossenschaft einen zunächst als Versuchsfarm getarnten Plan zur Züchtung von Seefischen in im See installierten Zuchtbecken forciert. Für uns Segler geht es dabei immer um das Gleiche – den Entzug von Seefläche für die Ausübung des Gemeingebrauchs vieler im wirtschaftlichen Individualinteresse weniger.

Die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee hat in ihren Richtlinien wiederholt bestätigt, dass der Bodensee Schutz braucht und Schutz erhält, dass dieser einzigartige Lebensraum und seine Nutzbarkeit zu sichern ist. Die hierfür vorgesehenen Nutzungsregeln sehen eine Bewirtschaftung mittels Fischfarmen nicht vor. Bereits umfangreich bestehende Stallfischanlagen sind kontrollierbare und außerhalb des Sees liegende agrartechnische Einrichtungen, deren Abwässer geklärt werden können. Zuchtbecken im See selbst haben diese Möglichkeit nicht. Der Fütterungsabfall bleibt ebenso wie in der Regel erforderliche Medikamentationen im Seewasser und den Bodensedimenten liegen und zerstört nachhaltig deren Struktur. Dies ist zunächst umweltrechtlich zu beurteilen und obliegt der Verantwortung der Behörden der Anrainerstaaten.

Gleichzeitig ist der Bodensee jedoch eines der bedeutendsten europäischen Binnengewässer für viele Formen des Wassersports und die Erholungssuche der hier lebenden und anreisenden Menschen. Diese Teilhabe am Gemeingebrauch beschränkt sich nicht auf ausgewiesene Fahrrinnen. Der See ist unser aller Gemeingut, dessen Erhalt zu schützen ist. Der Bodensee-Segler-Verband mit seinen über 100 Mitgliedsvereinen und über 20.000 organisierten Seglern tritt daher für eine Bewahrung des Ist-Zustandes ein und fordert ein striktes Nein der Genehmigungsbehörden für derartige wirtschaftliche Sondernutzungen - auch für evtl. Feldversuche.

Nicht viel anders sind die Versuche privater Naturschützer wie des Nabu zu bewerten den See für allein ihre Individualinteressen zu nutzen und wie jüngst bei der entfachten Diskussion um den Markelfinger Winkel diesen dem Gemeingebrauch zu entziehen.

Die Segler sind sich mit den übrigen Wassersportlern einig, dass der See ein besonders schützenwertes Gut ist. Hierfür unternehmen wir gemeinsam Anstrengungen zum Erhalt. Wir leben jedoch auch an und mit ihm und sehen ihn als wesentlichen Bestandteil unseres Lebens an. Dies bedingt, dass jedermann an der Nutzung teilhaben kann und nicht immer mehr Flächen ausgenommen werden, sei es aus wirtschaftlichen Gründen oder unter dem Feigenblatt des Naturschutzes.


Ihr
Klaus P. Reiser
Präsident BSVb

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